MARTINSKAPELLE
Funde deuten darauf hin, dass es möglicherweise einen hölzernen Vorgängerbau gab, welcher Eigenkirche und zugleich Ortsmittelpunkt einer Siedlung war, die im 7. Jahrhundert durch die hier eingedrungenen merowingischen Franken angelegt wurde. Das Gotteshaus wurde – vielleicht nach einer Zerstörung – als steinerner Bau um 950 neu errichtet. Diese „Martinskirche“ war nicht, wie immer vermutet, Vorgängerbau der später entstandenen Pfarrkirche, die nur einen Steinwurf weit entfernt ist: Hier standen sich die Kirchen zweier Grundherrschaften gegenüber. Dieses „Zwei-Kirchen-Phänomen“ eines Ortes dieser Größe, dürfte einmalig in Deutschland sein.
Der romanische Bau wurde um 1490 grundlegend umgestaltet und mit höherem Dach, gotischen Fenstern und einem dekorativen Portal versehen. Der Bauernkrieg und die reformatorischen Wirren machten dieses Gotteshaus bald zu einem „bös verfallen Werk“. Während Miltenberg mit dem neuen Glauben sympathisierte und Freudenberg durch die Wertheimer Grafen protestantisch wurde, blieben die Bürgstadter „Kreuzköpfe“ erzkatholisch, was sich auch durch den hohen Kirchturm, der 1585 eine riesige „Echter-Spitze“ bekam, von weitem manifestiert.
Die Ausmalung der Martinskapelle (1589-93) war ein gegenreformatorisches Werk. Während die Protestanten die Bilderverehrung ablehnten, empfahl das Konzil von Trient 1545-63) die Rückkehr zu den Bildern. So entstand die Ausmalung der Kapelle mit einer biblia pauperum, einer „Armel-Leute-Bibel“, bestehend aus 40 Medaillons, die dem Volk anschaulich mit deutschem Untertext die Heilsgeschichte näherbringen soll. Dafür wurden die gotischen Fenster geschlossen und durch kleinere ergänzt. Das beeindruckende Weltgericht über dem Chorbogen rundet das Ganze ab.
Dass die komplett erhaltene Ausmalung heute noch vorhanden ist, ist dem Umstand zu verdanken, dass die Kapelle eine Nebenkirche und somit keiner Mode unterworfen wurde.
Text: Otto Reichert
Zur Besichtigung der Martinskapelle können Sie an folgenden Stellen einen elektronischen Schlüssel erhalten:
Gärtnerei Kling, Martinsgasse 22, 63927 Bürgstadt, Tel. 09371/2789
Mo, Di, Do, Fr: 8.00 Uhr – 12.30 Uhr und 14.00 Uhr – 18.00 Uhr
Mittwochs geschlossen!
Sa 8.00 Uhr – 12.00 Uhr
Gaststätte „Nadjas“, Hauptstraße 2, 63927 Bürgstadt, Tel. 09371/9488679
Mi – So: 11.30 Uhr – 22.00 Uhr
Mo + Di geschlossen !